Der fehlende Glanz auf der Nase – Warum E-Recruitingsysteme Management durch einen Menschen brauchen

Vor wenigen Wochen spielte sich in einer Ausstellungshalle in Amsterdam eine kleine Sensation ab. Ein unbekanntes Gemälde wurde enthüllt. Ein Rembrandt. Jedoch handelte es sich dabei nicht um ein jahrhundertealtes Gemälde, sondern ist erst wenige Wochen alt. Wie kann das sein? „The Next Rembrandt“, so der Name des Bildes, stammt aus einem 3D-Drucker und wurde von einem Computerprogramm entworfen. Dieses Programm wurde mit Eigenschaften von Rembrandts Gemälden gefüttert und errechnete anhand dieser Daten ein neues Bild. Dies gilt als ein Meilenstein in der Forschung zur künstlichen Intelligenz und lässt wohl bei vielen die Angst hoch kommen, Computer könnten eines Tages die Menschen ersetzen (vgl. Tietgen, 2016). Was hat dies nun mit Recruiting zu tun?

Recruiting-Prozesse greifen in immer mehr Unternehmen auf IT-Lösungen zurück, um Stellenanzeigen zu veröffentlichen und ankommende Bewerbungen zu verwalten und auszusortieren. Einige Software-Anbieter wie SAP bieten dabei Lösungen an, die den Verantwortlichen in den Personalabteilungen anhand vorher bestimmter Kriterien Aufgaben wie die Selektion von Bewerbungen, das Verfassen von Absagen oder das Veröffentlichen von Stellenanzeigen abnehmen. Die Vorteile einer solchen IT-Lösung liegen auf der Hand. Vor allem in größeren Unternehmen können Bewerbungen schneller und kostengünstiger bearbeitet werden (vgl. Weise, 2011, 55). Dabei werden die Potenziale der Programme aber noch nicht voll ausgeschöpft. Bewerber, die die Kriterien nicht erfüllen, erhalten nicht automatisch eine Absage, obwohl dies technisch durchaus möglich wäre. Wie Dr. Mitterer von ZF in seinen Vortrag betonte, werden alle Bewerbungen trotz roter Ampel und Ausselektierung durch das System noch einmal durch einen Menschen betrachtet, der schließlich die Endauswahl trifft. Obwohl es also möglich wäre, den Rekrutierungsprozess bis zur Einladung zum Vorstellungsgespräch automatisch durch die Software durchführen zu lassen, verzichten Personalabteilungen darauf. Scheinbar sehen sie also noch einen Bedarf des Managements der bestehenden E-Recruitingsysteme durch einen Menschen. Ist dies der bessere Weg oder wäre ein voll-automatisierter Prozess nicht vorteilhafter?

Dass E-Recruitingsysteme nicht ganz ohne menschlichen Einsatz auskommen, lässt sich an drei verschiedenen Aspekten fest machen. Zunächst ist zu betonen, dass Software niemals vollkommen fehlerfrei funktioniert und es deshalb einer regelmäßigen Kontrolle durch einen Menschen bedarf, um diese Fehler aufzudecken und zu beheben. Würde das Programm durch einen Fehler beispielsweise geeignete Kandidaten ausselektieren und automatisch Absagen an diese schicken, ohne dass dies jemandem auffiele, würde dem Unternehmen Humankapital entgehen, was einen wirtschaftlichen Schaden und Wettbewerbsnachteile mit sich bringen würde.

Dies führt zum zweiten Argument gegen eine vollkommene Automatisierung des Recruitingprozesses, nämlich die rechtliche Grauzone, die bei einer solchen Automatisierung entstehen würde. Das ist aktuell schon beim autonomen Fahren der Fall (vgl. Boeing, 2015). Wer trägt im Falle eines Programmfehlers die Verantwortung? Das Unternehmen, welches das Programm anwendet oder das Unternehmen, welches die Software bereitstellt?

Gegen einen Verzicht des Managements durch einen Menschen spricht jedoch vor allem die Tatsache, dass eine vollkommenen Automatisierung des Recruiting-Prozesses, zumindest bis zum Vorstellungsgespräch möglich, aber nicht unbedingt so erfolgreich ist, da der Mensch Computern in einigen Bereichen doch noch weit voraus ist. Dies beginnt schon bei der Erstellung der Stellenanzeige, verbunden mit dem Festlegen der relevanten Kriterien in der Bewerbungsmaske. Für Ralph Hartmann nimmt der Recruiter bei der Formulierung der Stellenanzeige eine wichtige Position ein. Er übersetzt die oftmals sehr „fachabteilungsspezifischen Termini“ (Hartmann, 2015, 223) der Fachabteilungen in Stellenanforderungen, die für die Bewerber leichter verständlich sind (vgl. ebd). Dies können die bisher bestehenden Systeme nicht leisten. Zudem hat der Mensch laut Goldschneider und Zemanek in dieser Phase des Recruitings der künstlichen Intelligenz gegenüber einen weiteren entscheidenden Vorteil. Er ist fähig, das Wesentliche herauszustellen und in der Folge Unwesentliches weg zu lassen (vgl. Goldschneider / Zemanek, 2013, 60). Dies ist nötig, damit Stellenanzeigen, aber auch die Kriterien für die Bewerbungsmaske nicht zu lang und detailliert werden und noch Spielraum lassen, damit kein potenzieller Bewerber abgeschreckt wird.

Aber auch in der Selektion sollte von einer kompletten Automatisierung abgesehen werden, da die Software hier nicht das leisten kann, was der Mensch kann. Während eine Software auf die vorher festgelegten Kriterien, die übrigens ja auch durch den Menschen ausgewählt werden, zurückgreifen muss, kann der Mensch auch von diesen Kriterien abweichen. Insbesondere der „War of Talents“, also dass immer weniger Bewerber vorhanden sind, welche die gewünschten Kriterien erfüllen „zwingt die Unternehmen zum Umdenken“ (Weise 2011, 60). Könnte denn nicht ein Bewerber, der ein Kriterium nicht erfüllt, durch eine Weiterbildungsmaßnahme zum idealen Bewerber geformt werden? Das kann sicher nur ein Mensch beurteilen. Viele interessante Qualifikationen werden durch die starre Maske eines Bewerberformulars oder durch Filter, welche Anschreiben und Lebenslauf beurteilen, auch nicht erfasst. Hier kann nur ein Mensch einmal um die Ecke denken und eine Stelle durch jemanden besetzen, der andere Fähigkeiten mitbringt, als diese, die vorher festgelegt wurden. Manche Bewerber haben sehr ungewöhnliche Stationen in ihrem Leben durchlaufen, wodurch ein guter Recruiter auf wichtige Soft-Skills schließen könnte. Eine Software müsste dafür wohl mit sehr vielen Daten gefüttert werden und könnte selbst dann nicht alle Möglichkeiten eines individuellen Werdegangs erkennen und bewerten. Menschen sind individuell und können in ihrer Gesamtheit nicht durch eine Software beurteilt werden, denn ein Mensch ist mehr als die Summe der Daten, die er eintippt.

Der Mensch ist der Technologie also überlegen, da er Fähigkeiten besitzt, welche die heutigen Programme noch nicht bieten können. Zusammen mit der Notwendigkeit der Kontrolle und der drohenden rechtlichen Grauzone durch eine Automatisierung des Recruitingprozesses wird deutlich, dass E-Recruitingsysteme weiterhin das Management von Menschen brauchen, um ideale Ergebnisse erzielen zu können.

Am Ende ist hier noch zu erwähnen, dass der gedruckte Rembrandt bei Experten auf Kritik gestoßen ist. Ihm fehlt nämlich der typische Glanz auf der Nase. Obwohl das Programm mit allen nötigen Daten gefüttert wurde und sie miteinander verrechnete, kam nicht das perfekte Ergebnis heraus.

 

Quellen

Boeing, Nils (2015): „Der Richter und sein Lenker“, in: http://www.zeit.de, URL: http://www.zeit.de/zeit-wissen/2015/06/autonomes-fahren-unfall-schuld-rechtslage, aufgerufen am: 13.05.2016.

Goldschneider, Peter / Zemanek, Heinz (2013): Computer: Werkzeug der Information. Springer-Verlag.

Hartmann, Ralph (2015): „Rekrutierung im Mittelstand: Trends und Herausforderungen im Personalmanagement oder von Trüffelschweinen und Wollmichsäuen“, in: Hartmann, Ralph (Hg.): Rekrutierung in einer zukunftsorientierten Arbeitswelt. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Tietgen, Madita (2016): „3-D-Drucker erschafft neues Rembrandt-Gemälde“, in: http://www.welt.de, URL: http://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article154421365/3-D-Drucker-erschafft-ein-neues-Rembrandt-Gemaelde.html, aufgerufen am:13.05.2016.

Weise, Daniela M. (2011): Rekrutierung der Net Generation: E-Recruiting mit Hilfe von Web 2.0 Tools. Diplomica Verlag.

Ein Gedanke zu “Der fehlende Glanz auf der Nase – Warum E-Recruitingsysteme Management durch einen Menschen brauchen

  1. Ein sehr interessanter Artikel, der meines Erachtens nach treffende Argumente liefert warum Menschen beim Rekrutierungsprozess unabdingbar sind.
    Der Text spiegelt auch meine persönliche Meinung wieder. Das E-Recruitingsysteme immer wichtiger für Unternehmen werden liegt auf der Hand, da sie die Prozesse vielfach effizienter gestalten und zu erheblichen Vorteilen in Bezug auf Kostenreduzierungen, Zeit und Personal führen (das Personal das nicht mehr durch die Bewerbungen gehen muss kann sich um andere Arbeiten für das Unternehmen kümmern). Jedoch ist die menschliche Intuition nicht zu ersetzen, und vor allem Personaler mit Jahrelanger Erfahrung werden besser als jedes System wissen welcher Kandidat für die Stelle geeignet ist und wer nicht. Vor allem in Bezug auf „soft skills“ ist der Mensch hier im Vorteil, da diese normalerweise nicht auf den Lebenslauf abgebildet sind, bzw. von so einem System nicht erfasst werden.
    Letzten Endes ist es wichtig das Firmen diese Systeme nutzen um die gegebenen Vorteile daraus zu ziehen, aber auch darauf achten den Prozess von erfahrenen Personalern begleiten zu lassen damit die Firma sicherstellt die geeignetesten Kandidaten für die zu vergebenden stellen zu finden.

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