Variable Entlohnungssysteme führen zu mehr Druck aber auch mehr Leistung und tragen so zur langjährigen Zufriedenheit und Erfolg der Organisation bei.

Motivierte Mitarbeiter sind für den Erfolg eines Unternehmens auf lange Sicht eine wichtige Voraussetzung. Alleine die Qualifikation der Angestellten reicht nicht aus, um das langfristige Gelingen einer Unternehmung zu garantieren. Denn welchen Nutzen kann ein Unternehmen aus hochqualifizierten Mitarbeitern ziehen, die nicht gewillt sind ihr Know-how und ihre Fähigkeiten ins Unternehmen einzubringen? Doch wie kann es nun gelingen die Ziele des Unternehmens und die der Mitarbeiter unter einen Hut zu bringen, sodass für beide Parteien ein Nutzen und Zufriedenheit entsteht? (vgl. Suchanek/Lin-Hi 2011, 12) Lässt sich möglicherweise die Motivation der Angestellten systematisch durch das Unternehmen beeinflussen? (vgl. Suchanek/Lin-Hi 2011, 14) Und wodurch lassen sich Menschen zu maximaler Leistungsbereitschaft motivieren?

Einige Unternehmen versuchen dies über finanzielle Anreize. Variable Entlohnungssysteme ermöglichen es dem Unternehmen, die Mitarbeiter bezüglich ihrer individuellen Leistung zu differenzieren. Dies ist eine Möglichkeit besondere Leistungen der Mitarbeiter finanziell zu würdigen (vgl. Biesel 2012, 149). Mit Hilfe dieses Systems wird den Angestellten ganz bewusst der direkte Zusammenhang zwischen ihrer persönlich erbrachten Leistung und dem Entgelt verdeutlicht. Dass sich dadurch der Leistungsdruck auf die Angestellten erhöht, scheint definitiv ersichtlich. Aber hat dies gleichzeitig auch einen positiven Einfluss auf die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und somit auf den langfristigen Unternehmenserfolg?

Obwohl das System der variablen Entlohnung schon seit einiger Zeit zu den gängigen Praktiken im Unternehmensalltag zählt, kann diese Fragestellung nicht ohne weiteres mit einem eindeutigen ‚Ja‘ beantwortet werden, denn diesbezüglich wird in der Literatur kontrovers diskutiert (vgl. Biesel 2012, 151). Doch Fakt ist, unter bestimmten Voraussetzungen kann dies durchaus der Fall sein:

Ziel der Anreizgestaltung eines Unternehmens ist immer eine möglichst optimale Aufgabenerfüllung seitens der Mitarbeiter, wobei sich die Art der optimalen Aufgabenlösung je nach Branche und nach der jeweiligen Unternehmensstrategie unterscheidet. Der Fokus kann hierbei beispielsweise auf einen mengenmäßig möglichst hohen Output oder auf eine möglichst hohe Qualität gelegt werden (vgl. Jost/Von Bieberstein 2013, 153).

Mit einem gut durchdachten und präzise geplanten variablen Entlohnungssystem sollte deshalb in erster Linie die Motivation der Mitarbeiter angesprochen werden, wodurch ein gesteigerter Leistungswille erzielt werden kann, der eine Voraussetzung zur optimalen Aufgabenerfüllung ist. Nicht aber kann ad hoc die Qualifikation der Angestellten gesteigert werden, da sich Fähigkeiten und Kompetenzen nicht kurzfristig über finanzielle Anreize steuern lassen.

Durch die stark vernetzte Zusammenarbeit mit Teamkollegen und sehr komplexe Tätigkeitsspektren besteht das Risiko, dass auf den Arbeitsablauf externe Faktoren einwirken, die der Mitarbeiter einerseits nicht aktiv beeinflussen kann, von welchen aber andererseits seine Leistung entscheidend abhängig ist. Deshalb ist es Aufgabe des Unternehmens, die im Arbeitsumfeld herrschenden Bedingung auf mögliche Ressourcen-, Kommunikations- oder Organisationsprobleme zu prüfen, um eine faire und gerechtfertigte individuelle Leistungsbeurteilung zu gewährleisten (vgl. Biesel 2012, 151).

Darüber hinaus hat die materielle Belohnung individueller Leistung auch einen doppelt positiven Effekt auf den Mitarbeiterpool eines Unternehmens: Quasi automatisch selektieren sich die Mitarbeiter auf Basis ihres Leistungsvermögens und -willens selbst. Besonders fleißige und leistungsstarke Mitarbeiter, denen ein solches Vergütungssystem zusagt, werden vom Unternehmen angezogen. Ihre Arbeitsmoral zahlt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus. Schwächere Mitarbeiter, die keinen Vorteil aus dem individuellen Entlohnungsmodell ziehen können, wandern tendenziell ab (vgl. Biesel 2012, 151; Jost/Von Bieberstein 2013, 155; Lazear 2000, 1359). Über den starken Mitarbeiterpool kann das Unternehmen langfristige Wettbewerbsvorteile aufbauen.

Finanzielle Anreize zeigen den Mitarbeitern an, worauf das Unternehmen seinen Fokus legt und welchen Aufgaben besonders große Bedeutung zukommt. Darin spiegeln sich auch die Wertvorstellungen und die Kultur einer Organisation wieder. Es wird also versucht einen Bezug zur Unternehmenskultur herzustellen, mit der sich die Mitarbeiter verstärkt identifizieren können (vgl. Biesel 2012, 152; Green/Heywood 2008, 711; Jost/Von Bieberstein 2013, 153). Das wiederum trägt zur intrinsischen Motivation der Mitarbeiter bei und hat möglicherweise positive Auswirkungen auf die Produktivität und die Zufriedenheit der Mitarbeiter im Unternehmen.

Eine leistungsorientierte Entlohnung hat aber auch ihre Schattenseiten und kann unerwünschte Effekte hervorrufen:

Individuelle Leistung, die bezahlt wird, muss von Unternehmensseite wahrnehmbar und deshalb messbar sein. Es muss transparent sein, welcher Mitarbeiter mit welchen Aufgaben und Tätigkeiten betraut ist, sodass besondere Verdienste den einzelnen Mitarbeitern zuzuordnen sind. Diese notwendige Gegebenheit kann dazu führen, dass die Mitarbeiter dies zunehmend als Fremdkontrolle wahrnehmen und sich in ihrem Handeln eingeschränkt sehen, was unerwünschte Demotivationseffekte auslösen kann. Es herrscht ein schmaler Grat zwischen gefühlter Einengung und dem Spielraum für Eigenverantwortung (vgl. Kieser 2012, 3; Suchanek/Lin-Hi 2011, 13).

Des Weiteren besteht das Risiko, dass die Mitarbeiter vermehrt zweckrationale Entscheidungen treffen, die auf Kosten anderer gefällt werden, mit dem Ziel die eigenen Interessen zu verfolgen. Denn durch die rein materiellen Anreize besteht die Gefahr, dass stark opportunistisch und überwiegend egoistisch eingestellte Menschen von diesem System bevorzugt werden (vgl. Suchanek/Lin-Hi 2011, 13).

Zudem legen Green und Heywood in einer Studie dar, dass die finanziellen Anreize, in ihrer Funktion als extrinsische Motivatoren, die bestehende intrinsische Motivation der Mitarbeiter verdrängen könnten. Der Anreiz der Tätigkeitsausübung von der ‚Freude am Beruf‘ verschiebt sich hin zu finanziellen Beweggründen (vgl. Green/Heywood 2008, 724).

Fernen stellt sich die Frage, wie wohl das Arbeitsklima in einem Unternehmen aussieht, indem sich jeder Mitarbeiter von den Leistungen seiner Kollegen über das Einkommen differenzieren möchte. In solch einer Arbeitsatmosphäre ist das Risiko hoch, dass interne Konkurrenzkämpfe entstehen, die weder für die Zufriedenheit, noch für den Unternehmenserfolg förderlich sind (vgl. Green/Heywood 2008, 711).

Ist ein System der variablen Vergütung allerdings gut durchdacht, können durchaus unerwünschte Nebeneffekte verdrängt werden und sich positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit und den Unternehmenserfolg zeigen. Doch ist es auch ganz klar, dass die Frage, ob ein leistungsorientiertes Vergütungssystem zwangsläufig zu mehr Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter und zum langjährigen Erfolg des Unternehmens führt, nicht pauschal beantwortet werden kann. Dies ist von vielen weiteren Faktoren abhängig, wie beispielsweise der Unternehmensgröße, der Unternehmensstrategie, der Höhe der Prämien oder dem Charakteren der Mitarbeiter (vgl. Green/Heywood 2008, 725).

Einen deutlich größeren positiven Effekt erzielen möglicherweise Anreizsysteme, die nicht nur auf den finanziellen Aspekt anspielen, sondern die Kombination materieller und immaterieller Anreize vereinen, da diese nicht nur die extrinsische Motivation, sondern auch verstärkt die intrinsische Motivation der Mitarbeiter aktivieren (vgl. Kieser 2012, 6).

Quellen:

Biesel, Hartmut (2012): Abschied vom Management – 101 Ideen für eine Ziel- und wertorientierte Führung. Springer Gabler. Wiesbaden.

Green, Colin u. Heywood John S. (2008): Does Performance Pay Increase Job Satisfaction? In: Economia, New Series (75/300), S. 710-728.

Jost, Peter-J. u. von Bieberstein, Frauke (2013): Strategische Anreizgestaltung. In: Stock-Homburg, Ruth (Hg.): Handbuch Strategisches Personalmanagement. Springer Gabler. Wiesbaden. S. 151-169.

Kieser, Heinz-Peter (2012): Variable Vergütung im Vertrieb – 10 Bausteine für eine motivierende Entlohung im Außen- und Innendienst. Springer Gabler. Wiesbaden.

Lazear Edward P. (2000): Performance Pay and Productivity. In: The American Economic Review (90/5), S. 1346-1361.

Suchanek, Andreas u. Lin-Hi, Nick (2011): Eine Betrachtung von Anreizen aus unternehmerischer Perspektive. In: Controlling & Management, 2011 (55/3), S. 12-15.

6 Gedanken zu “Variable Entlohnungssysteme führen zu mehr Druck aber auch mehr Leistung und tragen so zur langjährigen Zufriedenheit und Erfolg der Organisation bei.

  1. Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Er reflektiert hervorragend sowohl die Sonnen- als auch Schattenseiten eines variablen Entlohnungssystems.

    Wie in eurem Beitrag bereits sehr schön erwähnt ist das variable Entlohnungssystem nicht auf alle Organisationen anwendbar. Abgesehen von einer anreizkompatiblen Ausgestaltung und den rechtlichen Gesichtspunkten muss darüber hinaus berücksichtigt werden, dass die Mitarbeiter das Incentivesystem ebenso nachvollziehen können und annehmen. Das Ziel hierbei ist eine leistungsorientierte Verhaltensweise auf lange Sicht zu fördern und nachhaltig eine Wertsteigerung zu erreichen.

    Eine weitere Schwierigkeit in variablen Entlohnungssystemen sehe ich darin, wenn Vorstände ihre Unternehmenspolitik nunmehr auf die „Bonigenerierung“ ausrichten und hierbei lediglich ihre Vertragslaufzeiten im Blick behalten und an einer beständigen Entwicklung des Unternehmens nicht mehr interessiert sind. Es gilt dann: „Nach mir die Sintflut“. In den Aufsichtsräten sitzen oft Vorstände und Geschäftsführer anderer Unternehmen, die es in gleicherweise praktizieren und diese Haltung für gutheißen. So kam bereits der ein oder andere unerwünschte Eklat zustande, wodurch für mich der Eindruck entstand, Vorstand und bedeutende Teile des Aufsichtsrates stellen eine „Plündergemeinschaft“ entgegen dem Unternehmen dar.

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  2. Guter Beitrag.

    Gerade der Aspekt das man Mitarbeiter nicht nur die extrinsisch, sondern auch intrinsich motiveren muss ist meiner Meinung nach sehr wichtig.
    Monetäre Anreize sind kurzweilig und nicht von lange dauer. Nur wenn Mitarbeiter intrinsisch Motiviert werden ist eine Nachhaltige Entwicklung möglich.
    Des Weiteren führt meiner Meinung nach intrinsiche Motivation zu einer Leistungssteigerung, was sich dann wederum auf den Umsatz oder die Arbeit des Mitarbeiters auswirkt.

    Von daher sollten – wie ihr schon angesprochen habt – Entlohnungssysteme beidseitig ausgerichtet sein und nicht nur auf materielle Dinge.

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    1. Sowohl im Beitrag als auch im Kommentar wird die Relevanz der intrinsischen Motivation der Mitarbeiter eines Unternehmens angesprochen. Mehrere Studien belegen mittlerweile, dass eben diese intrinsischen Motive durch einen zu stark fixierten Bezug auf einen extrinsischen monetären Anreiz verdrängt werden können. Ich finde es sehr passend, dass ihr auch diesen Punkt im Beitrag aufgreift. Gneezy et al. (2011) fanden heraus, dass eine intrinsisch motivierte Person mit einem zusätzlichen extrinsischen monetären Anreiz ihre Aufgabe zwar genauso gewissenhaft erledigt wie sie dies auch ohne den Anreiz getan hätte. Allerdings wird diese Person im nächsten Step erwarten, dass wieder ein entsprechender extrinsischer Anreiz angeboten wird (Gneezy et al. 2011). Falls dies nicht eintritt, wird die Person demotiviert ihre Aufgabe zu erledigen und wird diese Aufgabe schlechter verrichten als ohne die vorherige Incentive (Gneezy et al. 2011). Somit sollten monetäre Anreize stets gut durchdacht werden, da ansonsten ein langfristiger negativer Effekt in der Mitarbeitermotivation stattfinden kann.

      Literatur:
      Gneezy, U., Meier, S., & Rey-Biel, P. (2011). When and why incentives (don’t) work to modify behavior. The Journal of Economic Perspectives, 25(4), 191-209.

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  3. Liebe Gruppe 50, ein sehr gelungener Beitrag wie ich finde!
    Es wird sehr klar beleuchtet, dass es nicht nur positive Aspekte gibt, die zur variablen Entlohnung beitragen! Besonders treffend ist auch der Schluss, dass nicht nur auf extrinsische sondern auch auf intrinsische Motivatoren geachtet werden muss! So ist es auch beschrieben in der Bedürfnispyramide von Maslow. Ganz oben steht hier die Selbstverwirklichung und damit eher intrinsische Ziele. So nehmen beispielsweise finanzielle Faktoren eher einen niedrigeren Stellenwert ein!

    Was allerdings noch vergessen wurde zu erwähnen bezüglich den abwandernden Mitarbeitern ist auch, dass bei variabler Entlohnung nicht nur die leistungsschwachen, sondern auch die eher risikoaversen Arbeitnehmer abwandern – welche wiederum eine höhere Bindungsrate aufweisen. Um langfristig einen Unternehmenserfolg zu erzielen benötigt es eben genau diese Mitarbeiter, welche nicht schon nach einem Jahr die Firma wechseln. Es bedarf an einer gewissen Beständigkeit, die man aber eventuell mit einem variablen Entlohnungssystem riskiert. Wichtig ist es eben an dieser Stelle ein perfektes Zusammenspiel zwischen mehreren Motivatoren zu erzielen um jeden „Typ“ von Mitarbeiter anzusprechen!

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  4. Ein sehr gelungener Beitrag.
    Auch ich teile die Meinung , dass intrinsische Motivation seitens der Mitarbeiter eines der höchsten Ziele sein sollte in einem variablen Belohnungssystem. Der Fakt, dass die finanzielle Vergütung nicht immer der der Auslöser für intrinsiche Motivation ist, führt zur Überlegung welche Möglichkeiten ein Unternehmen hat dies auf anderem Wege zu beeinflussen.

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  5. Vielen Dank für den Artikel. Hier wurde das Thema der variablen Entlohnungssysteme sehr gut und deutlich dargestellt. Ich kann es gut verstehen, dass Unternehmen nach maximaler Leistung streben. Finanzielle Mittel stellen dabei sicherlich eine einfache und schnelle Einflussmöglichkeit dar. Doch Geld macht nicht automatisch glücklich. Vielmehr spielt Selbstverwirklichung in unserer Gesellschaft eine immer größere Rolle. Da es auch um das langfristige Wohl des Unternehmens und deren Mitarbeiter geht, sollt eine Organisation gut abwägen, ob dies mit extrinsischen Motivationen erreicht werden kann oder eher mit intrinsischen.

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